Vermutungen mit Modalverben ausdrücken

Die Modalverben eignen sich wunderbar, wenn wir Vermutungen ausdrücken wollen. Dabei kann man – je nach Modalverb – wie mit einem Schalter die Stärke der Vermutung regulieren.

Welches Modalverb sinnvoll ist, hängt deshalb davon ab, wie stark wir etwas vermuten, also wie sicher wir sind, dass etwas passiert oder für wie wahrscheinlich wir etwas halten.

 

Die wirkliche Stärke unserer Vermutung hat aber auch etwas damit zu tun, wie wir die Bedeutung eines Modalverbes in bestimmten Situationen individuell sehen. Wir sind hier ein bisschen freier oder subjektiver.

Trotzdem kann man die Modalverben in eine Reihenfolge bringen, bei der die Wahrscheinlichkeit, dass die Vermutung wahr ist, immer stärker wird. Dabei kann man allerdings eine Vermutung in den meisten Fällen mithilfe des Konjunktiv II des Modalverbs wieder ein bisschen abschwächen.

 

Das Modalvberb KÖNNEN als Möglichkeit

Wenn wir das Verb KÖNNEN verwenden, sprechen wir in einigen Fällen zwar über Fähigkeiten, in anderen Fällen meinen wir aber Möglichkeiten.

Für die Formulierung von Vermutungen geht es aber nur um Möglichkeiten, die man mit dem Modalverb KÖNNEN ausdrückt.

Wenn wir die Vermutung sehr vorsichtig ausdrücken möchten, nehmen wir das Modalverb KÖNNEN im Konjuktiv II (KÖNNTE).

Es könnte heute noch regnen.

Es könnte sein, dass es heute noch regnet.

In diesen Beispielen vermuten wir, dass es regnet, aber die Vermutung ist relativ schwach.

Etwas stärker ist die Vermutung dann schon mit der Form von KÖNNEN im Indikativ, wie hier …

Es kann heute noch regnen.

Es kann sein, dass es heute noch regnet.

Diese beiden Beispiele zeigen, wie sich KÖNNEN für eine Vermutung einsetzen lässt. Hier handelt es sich nicht um eine sehr starke Vermutung, aber wenigstens eine Möglichkeit.

Wenn wir das Adverb ‘nur‘ ergänzen, wird die Vermutung jedoch sehr stark.

Es kann heute NUR regnen.

Es kann NUR so sein, dass es heute noch regnet.

Eine starke Vermutung des Gegenteils lässt sich mit den Negationswörtern NICHT oder KEIN bilden:

Es kann heute NICHT regnen.

Das kann KEIN schöner Tag werden.

Der Regen (Beispiel 1) oder der schöne Tag (Beispiel 2) hält der / die Sprecher(in) also NICHT für möglich. Es wird relativ klar erwartet, dass etwas nicht passiert.

Das Modalvberb DÜRFEN für schwache Vermutungen

Schon etwas stärker wird die Vermutung, wenn wir das Modalverb DÜRFEN im Konjunktiv II (DÜRFTE) verwenden …

Es dürfte heute noch regnen.

Obwohl das Modalverb DÜRFEN hier im Konjunktiv II verwendet wird, ist die Vermutung stärker als bei KÖNNEN und KÖNNTE.

 

Das Modalvberb MÜSSEN für sehr starke Vermutungen

Noch stärker können wir eine Vermutung mit dem Modalverb MÜSSEN deutlich machen. In der Form des Konjunktiv II (MÜSSTE) klingt die Vermutung noch ein bisschen vorsichtig, aber stärker als im Fall von KÖNNEN oder DÜRFEN.

Es müsste heute noch regnen.

Diese Verwendung von MÜSSTE kann man auch als Wunsch nach Regen verstehen.

Am stärksten drückt man eine Vermutung jedoch mit der Indikativform von MÜSSEN aus, wie hier …

Es muss heute noch regnen.

Auf diese Weise wird gesagt, dass es kaum eine andere Möglichkeit als Regen gibt. Es ist sehr sicher, dass es heute regnen wird. Die Vermutung wird durch den Gebrauch von MÜSSEN zu einer Erwartung.

Häufig fügen wir in diesen Fällen das Adverb “doch” hinzu, um die Erwartung oder den Wunsch zu verstärken, wie hier …

Dieser Fernseher muss doch funktionieren.

Das Modalvberb SOLLEN als Erwartung

Das Modalverb SOLLEN setzen wir vor allem ein, wenn wir Erwartungen ausdrücken wollen.

Nach der Wettervorhersage soll es heute noch regnen.

Wir verwenden hier SOLLEN, weil wir vermuten, dass die Wettervorhersage richtig ist und es deshalb Regen geben wird. Wir nehmen jedoch eine andere Informationsquelle als Basis für unsere Vermutung.

SOLLEN wird deshalb oft verwendet, wenn ein Gerücht verbreitet wird, wie in diesem Beispiel …

Stefans Frau soll schwanger sein.

Man könnte diesen Satz auch auf zwei andere Arten ausdrücken …

Angeblich ist Stefans Frau schwanger.

Die Leute sagen, Stefans Frau sei schwanger.

(Das Wort “sei” ist das Verb “sein” im Konjunktiv I, den wir für die indirekte Rede brauchen.)

Dagegen sprechen wir mit SOLLTE (Form von SOLLEN im Konjunktiv II) eine Erwartung aus, weil wir denken, dass ein Ereignis so stattfindet, wie man es normalerweise erwarten kann. Manchmal wird noch der Partikel ‘eigentlich‘ ergänzet, um die Erwartung zu verstärken.

Es sollte (eigentlich) heute noch regnen.

Das Modalvberb MÖGEN mit einer Sonderrolle

Das Verb MÖGEN spielt für Vermutungen eine spezielle Rolle. Mit MÖGEN bestätigen wir die Möglichkeit, dass etwas anders ist, als wir denken. Jedoch nutzen wir die Konstruktion mit MÖGEN häufig, um die Folgen oder die Relevanz der Vermutung abzuschwächen. In dieser Konstruktion verwenden wir oft die Partikel ‘ja‘ oder ‘schon‘, um die Vermutung zu bestätigen, aber dann zu relativieren, wie in diesen Beispielen …

Es mag (ja) sein, dass es heute noch regnet, aber ich brauche keinen Regenschirm.

Es mag (schon) sein, dass du recht hast, aber ich habe trotzdem Zweifel.

Der Hund mag (ja) alt sein, aber er ist sehr gesund.

 

Häufig kann man auch einschränkende Konnektoren oder Adverbien wie “aber”, trotzdem oder “dennoch” in solchen Sätzen finden, um die Vermutung in ihrer Bedeutung zu relativieren …

Dieses Auto mag (ja) schön sein, trotzdem kaufe ich es nicht.

Stefanie mag schön sein, aber sie ist arrogant.

Dabei kann ein solches einschränkendes Adverb auch hinter dem konjugierten Verb des zweiten Hauptsatzes stehen, wie hier …

Dieses Auto mag (ja) schön sein, ich kaufe es dennoch nicht.

 

 

Andere Möglichkeiten für Vermutungen

Wenn ihr eine Vermutung nicht mit Modalverben ausdrücken wollt, habt ihr durchaus viele andere Möglichkeiten.

 

Passende Verben für Vermutungen

Es gibt eine ganze Reihe von Verben, mit denen ihr eine Vermutung ausdrücken könnt.

 

Das Verb VERMUTEN

Aus dem Nomen “Vermutung” lässt sich problemlos das Verb “vermuten” ableiten.

Dieses Verb ist ein regelmäßiges, untrennbares Verb. Es ist nicht trennbar, weil es mit der nie trennbaren Vorsilbe “ver-“ steht.

Bei der Konjugation des Verbs müsst ihr auf die Endungen achten. Da der Stamm von “vermuten” auf -t endet, müsst ihr vor den Endungen für die zweite und die dritte Person Singular und die zweite Person ein -e- einfügen. Auch das Partizip II des Verbs endet auf -et.

Das Verb “vermuten” wird im Perfekt und im Plusquamperfekt mit dem Hilfsverb HABEN. gebildet.

Im Satz wird dieses Verb meistens als ein satzeinleitendes Verb gebraucht, dem dann oft ein Nebensatz mit “dass” folgt, wie in diesem Beispiel …

Ich vermute, dass viele Leute die Ausstellung besuchen.

Möglich ist aber auch eine Verbindung von zwei Hauptsätzen ohne Konnektor zwischen ihnen …

Ich vermute, viele Leute besuchen die Ausstellung.

Solche eine Vermutung mit dem Verb “vermuten” ist jedoch auch einen zweiten Satz möglich …

Ich vermute viele Leute auf der Ausstellung.

 

Mit dem Nomen Vermutung lassen sich auch schöne Nomen-Verb-Verbindungen bilden, wie in diesen Beispielen …

Der Reporter äußert die Vermutung, dass das Unternehmen vor dem Bankrott steht.

Der Reporter stellt die Vermutung an, dass das Unternehmen vor dem Bankrott steht.

 

Das Verb ANNEHMEN

Ein wichtiges Verb, eine Vermutung zu formulieren, ist das trennbare Verb “annehmen”. Dieses Verb ist ein unregelmäßiges Verb bei dem sich der Verbstamm “nehm” im Präsens in der zweiten und dritten Person Singular ändert.

Auch die Formen des Präteritums und des Partizips II haben einen anderen Stamm.

Das Verb “annehmen” ist oft auch ein satzeinleitendes Verb für einen Hauptsatz, der mit einem anderen Hauptsatz oder mit einem Nebensatz stehen kann …

Wir nehmen an, dass der Patient seine Medizin nicht genommen hat.

Wir nehmen an, der Patient hat seine Medizin nicht genommen.

 

Das Verb AUSGEHEN (VON)

Ein weiteres interessantes Verb, mit dem ihr Vermutungen äußern könnt, ist das unregelmäßige und trennbare Verbausgehen“, das in dieser Bedeutung mit der festen Präposition VON (mit dem Dativ) stehen muss.

Im Satz steht auch dieses Verb mit seiner Präposition VON oft satzeinleitend, entweder vor einem Nomen oder mit einem Nebensatz mit “dass”.

Vor dem Nebensatz wird aus der Präposition VON jedoch das Pronominaladverb “davon“. Für beide Varianten von “ausgehen von” seht ihr einige Beispiele …

Die Polizei geht von einem Verbrechen aus.

Die Polizei geht davon aus, dass es ein Verbrechen war.

Wenn ihr “ausgehen von” verwendet, drückt ihr aus, dass ihr etwas sehr stark vermutet, vielleicht sogar erwartet.

 

Adverbien zur Verstärkung oder zur Abschwächung der Vermutung

Um eine Vermutung zu einer Erwartung zu verstärken oder um die Wahrscheinlichkeit einer Vermutung abzuschwächen, können Adverbien wie “sehr” und “stark” (für die Verstärkung) oder “vielleicht“, “kaum” und “nicht” für die Abschwächung oder sogar für die Vermutung des Gegenteils sinnvoll sein, wie hier …

Ich vermute sehr, dass Sandra zur Besprechung kommt.

Der Kundendienst geht stark von einem technischen Defekt des Gerätes aus.

Die Experten nehmen nicht an, dass der Klimawandel ein kurzfristiges Problem sein wird.

 

Darüber hinaus könnt ihr Vermutungen auch mit Verben wie denken oder “glauben” ausdrücken, wie in diesen Beispielen …

Wir denken, dass die Ursache des Unfalls ein technischer Defekt war.

Anna glaubt, dass sie schwanger ist.

 

Ich halte es für möglich / wahrscheinlich / …

Schon Wort “möglich” bedeutet, dass etwas nicht sicher ist, aber auch nicht auszuschließen ist. Mit dem Ausdruck “für möglich halten” kann man dies in einen Satz bringen, wie in diesen beiden Beispielen …

Wir halten eine Verbesserung der Lage für möglich.

Wir halten es für möglich, dass sich die Lage verbessert.

 

Ähnlich könnt ihr einen solchen Satz mit “wahrscheinlich” formulieren …

Wir halten eine Verbesserung der Lage für wahrscheinlich.

Wir halten es für wahrscheinlich, dass sich die Lage verbessert.

… und diese Wahrscheinlichkeit graduell variieren …

Wir halten eine Verbesserung der Lage für sehr wahrscheinlich.

Wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass sich die Lage verbessert.

Ihr könnt sehen, dass das Verb “halten” in dieser Bedeutung immer mit der festen Präposition FÜR (mit dem Akkusativ) stehen muss.

 

Ich würde sagen, …

Auch mit dem Konjunktiv II des Verbs “sagen“, lässt sich eine Vermutung äußern …

Ich würde sagen, Johannes kommt heute nicht mehr.

Durch den Konjunktiv II von “sagen” drückt man in diesem Beispiel eine vorsichtige Feststellung aus, die aber als Vermutung erscheint.

 

Ich denke / sage mal …

Wie eine Vermutung sind auch Sätze wie diese …

Ich denke mal, diese Versammlung wird lange dauern.

Wir sagen mal, dass dieser Plan nicht funktionieren wird.

 

Vermutungen mit dem Futur und Adverbien

Das Futur I und das Futur II werden meistens für Pläne oder Prognosen verwendet.

Diese Zeitformen könnt ihr aber auch für Vermutungen gebrauchen. Dafür braucht ihr aber auch Adverbien, die eine Wahrscheinlichkeit ausdrücken. Solche Adverbien sind beispielsweise “wohl“, “wahrscheinlich“, “möglicherweise” oder “sicher(lich)“. Diese adverbialen Bestimmungen der Art und Weise stehen im Mittelfeld des Satzes, wie in diesen Beispielen …

Peter wird wahrscheinlich noch kommen.

Frau Steffen wird den Termin wohl vergessen haben.

 

Doch auch in Sätzen mit den anderen Zeiten sieht man diese Adverbien, mit denen man eine Handlung mit einer Wahrscheinlichkeit kennzeichnen kann …

Ich habe mich wohl in der Telefonnummer geirrt.

Du hast ihn sicherlich falsch verstanden.

Die Lehrerin hatte wahrscheinlich noch keine Zeit, die Klassenarbeit zu korrigieren.

 

 


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4 Gedanken zu „Vermutungen mit Modalverben ausdrücken“

  1. Hallo,

    Ich möchte nur gern weissen, wer hat diese Website aufgebaut, weil ich diese Website für meine Bachelor Arbeit als interquelle braucht. Also würde ich mir sehr sein, wenn Sie mich die Details schiecken, dass was ich genau im Literaturvercheinisse in meine Bachelor Arbeit schreiben soll .
    Danke schon im Voraus!

    1. Hallo,
      die Webseite habe ich selbst unter WordPress entwickelt. Alle Inhalte sind von mir. Meine Adresse finden Sie unter Kontakt.

      Viele Grüße
      Tom Burghause

  2. Hallo Deutsch Coach…

    Ich gewöhne mich immer noch an dieses Konzept – könnte ich einen Satz ausprobieren – würde dieser Satz bedeuten, dass Sie sich der Liste “wahrscheinlich” bewusst sind?

    Die Liste dürfte Ihnen vertraut vorkommen

    Vielen, Vielen Dank!!

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